Helligkeitsanforderung von Megapixelkameras
Licht ins Dunkel
Hochauflösende Videokameras werden häufig als Universallösung für scharfe, detailgenaue Bilder angepriesen. Da die Einflussfaktoren vielfältig und hochkomplex sind, gehört die Konzeption und Planung von Videoüberwachungsanlagen mit zu den anspruchsvollsten Aufgaben im Bereich der Sicherheitstechnik, und dazu gehört gerade der sinnvolle Einsatz von Megapixelkameras.
Was aus den Herstellerangaben oft nicht erkennbar ist, wirdhäufig zum Fallstrick beim Einsatz von Megapixelkameras: Die höheren Anforderungen an Helligkeit und Ausleuchtung des Überwachungsbereichs. Da Installation und Betrieb von Beleuch-tungsanlagen im Freigelände hohe Kosten verursachen, wird hieran häufig gespart, mit dem Ergebnis: Unscharfe Bilder trotz hochauflösender Kameras.
Die Aufgabe ist entscheidend
Bei der Planung einer ist das Überwa-chungsziel für jeden Kamerastandort ent-scheidend und dementsprechend bereits bei der Konzeption festzulegen. Während die Anforderungen an die Bildqualität bei den Überwachungszielen „Wahrnehmen“ und „Detektieren“ leichter umzusetzen sind, bringen die Überwachungsziele „Erkennen“ und „Identifizieren“ deutlich höhere Anforderungen mit sich:
- Eine Kamera, die entsprechend dem Bildausschnitt die erforderlichen Bilddetails soweit auflösen und darstellen kann, dass das Objekt einwandfrei erkannt werden kann. Beim Überwachungsziel „Identifizieren“ sind das zum Beispiel Gesichter oder Buchstaben beziehungsweise Zahlen eines Kfz-Kennzeichens.
- Ein Objektiv, das auf die richtige Schärfeebene fokussiert ist und eine der Auflösung des Kamerasensors entsprechende Abbildungsleistung, das heißt eine ausreichend große optische Auflösung, hat.
- Eine ausreichende Beleuchtung, die es erlaubt, die Belichtungszeit für jedes einzelne Videobild so kurz zu halten, dass durch die Bewegung des Objekts innerhalb des Bildfelds keine Wischeffekte oder Bewegungsunschärfen entstehen.
- Ein optimal ausgewählter Kamerastandort, um Wischeffekte schon von Grund auf möglichst zu minimieren.
Bei statischen Szenen, in denen sich nichts bewegt, sind hauptsächlich die Punkte 1 und 2 zu berücksichtigen. Sobald sich etwas im Bild bewegt – und das auch noch quer zur Blickrichtung der Kamera, was bei der Mehrzahl der Videoüberwachungsaufgaben der Fall sein dürfte – kommen zuätzlich die Punkte 3 und 4 ins Spiel.
Grundproblem: Bewegungsschärfe
Die Darstellung von Videobildern ist eine schnelle Abfolge von Einzelbildern, die wegen der Trägheit des menschlichen Auges als bewegt wahrgenommen werden. Die meisten kennen es vom Fotografieren: zur Erzeugung jedes einzelnen dieser Bilder ist eine gewisse Belichtungszeit erforderlich.
Eine Videokamera erzeugt standardmäßig 25 Bilder pro Sekunde, die Belichtungszeit je Einzelbild ist 1/50 Sekunde, also circa 0,02 Sekunden. In dieser Belichtungszeit legt ein Fußgänger etwas weniger als drei Zentimeter zurück. Ein Fahrzeug, welches sich in einer Werkszufahrt mit zehn Stundenkilometern bewegt, legt in dieser Zeit bereits sechs Zentimeter zurück.
Bewegen sich Fußgänger oder Fahrzeug genau auf die Kamera zu, entsteht dadurch lediglich eine geringfügige Vergrößerung der Abbildung, es gibt damit keine Querbewegung, und das Bild bleibt scharf. Bewegt sich ein Fußgänger jedoch quer zur Kamera, ist an der Stelle, an der zu Beginn der Belichtungszeit seine Nasenspitze war, am Ende der Belichtungszeit die Nasenwurzel, das Gesichtsprofil wird also um die drei Zentimeter, die er zurückgelegt hat, verwischt, und es entsteht die klassische Bewegungsunschärfe.
Sinngemäß trifft das mit deutlich stärkerer Bewegungsunschärfe auch auf Fahrzeuge zu. Da die Kamera im Regelfall oberhalb der Höhe von Gesichtern oder Fahrzeugkennzeichen angebracht wird (die typische Montagehöhe ist drei bis sechs Meter), resultiert aus der zur Bildachse schrägen Vorwärtsbewegung nicht nur ein horizontaler, sondern zusätzlich auch ein vertikaler Versatz.
Fallstrick 1: Megapixel-Kameras brauchen mehr Licht
Die Lichtempfindlichkeit einer Videokamera hängt von der Größe des Bildsensors ab – genauer gesagt von der Größe der Fläche, die zur Erzeugung eines Pixels zur Verfügung steht.
Aus Kostengründen werden Bildsensoren für Megapixel-Kameras nicht oder nur unwesentlich größer hergestellt als Bildsensoren für VGA-Kameras mit konventioneller Auflösung. Außerdem wären für größere Sensoren auch größere, deutlich teurere Objektive erforderlich.
Mit zunehmender Auflösung wird also bei einer gegebenen Sensorgröße die „Fläche je Pixel“ kleiner und dadurch weniger lichtempfindlich. Diese zwangsläufig abnehmende Empfindlichkeit kann durch eine Verlängerung der Belichtungszeit ausgeglichen werden. Alternativ können Einzelbilder übereinandergelegt und kumuliert werden, die resultierenden „Phantombilder“ sind mit Bewegungsunschärfe vergleichbar.
Die meisten Kameras nutzen eine dieser Möglichkeiten und erzeugen so vergleichbar helle Bilder. Das Problem dabei ist, dass der von Personen oder Fahrzeugen während der verlängerten Belichtungszeit zurückgelegte Weg im Bild zwangsläufig immer länger wird, und da-it nehmen auch die Wischeffekte deutlich zu.
Wenn die Anwendung keine Bewegungsunschärfen erlaubt, heißt die Konsequenz daraus, frei nach Goethe: „Mehr Licht!“ Tagsüber ist das kein Problem, die Helligkeit des Überwachungsbereichs istim Regelfall völlig ausreichend. Nachts sieht es allerdings anders aus. Jetzt stellt sich die Frage, ob man wirklich eine Megapixel-Kamera mit entsprechend stärkerer Beleuchtung oder stattdessen eine oder mehrere VGA-Kameras, mit allerdings deutlich weniger Beleuchtung, benötigt.
Im einen wie im anderen Fall darf man sich nicht täuschen lassen und zur Planung der erforderlichen Beleuchtungsstärke die Lichtempfindlichkeit aus dem Datenblatt des Kameraherstellers heranziehen. In den wenigsten Fällen sind die Bedingungen, unter denen die angege-bene Lichtempfindlichkeit ermittelt wurde, verbindlich angegeben.
Im Regelfall fehlt bei Megapixel-Kameras auch eine Angabe, für welche Belichtungszeit die angegebene Lichtempfindlichkeit gilt. Auf Anfrage ist dies bei den meisten Herstellern kaum zu erfahren und so stellt sich häufig die tatsächlich erforderliche Beleuchtungsstärke erst nach Installation der Anlage heraus und muss nachgerüstet werden.
Fallstrick 2: Die Qualität des Objektivs
Das Objektiv muss die für den Bildsensor erforderliche Abbildungsleistung (optische Auflösung) gewährleisten. Qualitativ hochwertige Objektive sind zwar teuer, aber hier zu sparen, wäre der falsche Weg. Was nützt eine Kamera, die zwei Mega-pixel oder mehr auflösen kann, wenn das Objektiv weniger als ein Megapixel Aulösung durchlässt. Um es etwas plakativer zu formulieren: Durch eine Lupe der Qualitätsklasse „abgeschlagener Bierflaschenboden“ kann man auch mit den besten Au-gen keine Zeitung lesen.
Auch wenn eine Abbildungsleistungfür ein Objektiv angegeben ist, fehlen meistens weitere wichtige Angaben: Gilt die Abbildungsleistung für die Bildmitte oder den Bildrand, gilt sie bei offener Blende oder abgeblendet? Ein Objektiv, das abgeblendet in der Bildmitteeine brauchbare Abbildungsleistung bietet, kann bei offener Blende am Bildrand nicht unerhebliche Abbildungsfehler aufweisen und dadurch bei einigen Anwendungen nicht einsetzbar sein. Eine Angabe wie „geeignet für Zwei-Megapixel-Kameras“ ist zwar eine Empfehlung, aber kein nachprüfbares Qualitätsmerkmal.
Grundsätzlich gilt: mit zunehmender Auflösung der Megapixelkamera wird die Qualität des Objektivs (neben der Beleuchtung) mitentscheidender für das Gesamtergebnis. In jedem Fall ist anzuraten, ergänzend zur Planung, die Qualität und Funktionalität der Bildaufnahmeeinheit Kamera und Objektiv durch einen Testaufbau unter realen Bedingungen, das heißt mit Objektbewegung im Bild, zu untermauern.
Fallstrick 3: Die Schärfentiefe
Die Aufgabe der meisten Videoanwendungen ist es, definierte Bereiche zu überwachen. Ein Bereich erstreckt sich von einem minimalen Abstand bis zu einem maximalen Abstand vor der Kamera. Wird auf die Mitte des Bereichs fokussiert, wird alles mit der gleichen Entfernung zur Kamera scharf abgebildet alles was sich näher an der Kamera befindet oder weiter entfernt ist, wird mehr oder weniger unscharf abgebildet. Als Schärfentiefenbereich wird der Abstandsbereich von der Kamera bezeichnet, in dem Objekte hinreichend scharf abgebildet werden.
Die Schärfentiefe ist ein physikalischer Effekt, der genau berechnet werden kann. Einflussgrößen sind der mittlere Objektabstand zur Kamera, auf den das Objektiv fokussiert wird, die Brennweite des Objektivs und die Blendenöffnung sowie die Sensorgröße. Pauschal kann man sagen: Je kleiner die Blendenöffnung eines Objektivs ist, desto größer ist der Abstandbereich, der scharf abgebildet wird.
Bei der Planung einer Überwachungsaufgabe sollte also auch der Abstandbereich zum Kamerastandort festgelegt werden, in dem ein hinlänglich scharfes Bild erforderlich ist. Daraus kann dann die maximal zulässige Blendenöffnung für das geplante Objektiv berechnet werden. Auch hieraus ergeben sich Anforderungen an die erforderliche Helligkeitund damit der Beleuchtung: Je kleiner die maximal zulässige Blendenöffnung ist, desto heller muss die Beleuchtung sein, also steigen auch hier die Anforderungen mit zunehmender Auflösung der Kamera (siehe Fallstrick 1).
Fallstrick 4: Die Kamera-Anordnung
Der Kamerastandort und die Blickrichtung sollten so gewählt werden, dass die Bewegungsrichtung von Objekten möglichst zentral auf die Kamera hin erfolgt. Dadurch kann der horizontale Versatz als Hauptursache von Bewegungsunschärfe schon im Ansatz deutlich reduziert werden.
Ist die Bewegungsrichtung „zu schräg“ zur Blickrichtung der Kamera, ist nicht auszuschließen, dass die Überwachungsziele „Erkennen“ und „Identifizieren“ nicht oder nur ungenügend erreichbar sind. Demzufolge sollte der optimale Standort der Kamera, auch wenn er etwas kostenintensiver ist, auf keinen Fall dem Überwachungsziel geopfert werden.
Fazit:
Ob Megapixelkamera oder VGA-Kamera zum Einsatz kommen, muss für jeden Einzelfall in Abhängigkeit vom Überwachungsziel, Überwachungsbereich, Beleuchtungsbedingungen undKamerastandort einzeln festgelegt werden. Eine bereits in der Planungsphase durchgeführte kritische Bewertung der Anforderungen und der Einsatzbedingungen kann die Investitions- und Betriebskosten deutlich reduzieren. Vor einer Kaufentscheidung beziehungsweise einer Beauftragung sollte in jedem Fall im Rahmen einer – unter realen Bedingungen durchgeführten – Teststellung geprüft werden, ob tatsächlich nutzbare Bilder erzielt werden.
Dieser Fachbeitrag ist in der PROTECTOR Special Videoüberwachung 2014 erschienen. Autor: Walter Wilke